Was ist eine investigative Recherche?
Ein gesellschaftlich wichtiges Thema hartnäckig verfolgen, gegen Widerstände recherchieren und verständlich präsentieren – das ist für das „Netzwerk Recherche“ die ideale Recherche, ist journalistische Aufklärung im besten Sinne im Gegensatz zu einem erfolgreichen Scoop.
So kritisiert das „Netzwerk“ die Vergabe des Henri-Nannen-Preises in der Kategorie „Investigative Recherche“ an die Bildzeitung wegen der Berichte, die zum Rücktritt des Bundespräsidenten Wulff führten. Der Jury des Nannen-Preises fehlt laut „Netzwerk“ offenbar zum wiederholten Mal ein klares Verständnis für die journalistischen Kriterien.
In einer Pressemitteilung des Netzwerks ist weiter zu lesen:
„Investigativ arbeiten“ heißt nicht, wie die Jury offenbar glaubt, eine möglichst skandalträchtige Schlagzeile zu produzieren oder von anderen Medien möglichst oft zitiert zu werden. Das sind allenfalls Begleiterscheinungen.
Die Aufdeckung der Hintergründe um den Privatkredit des Bundespräsidenten Christian Wulff durch die „Bild“-Zeitung war verdienstvoll und richtig. Dennoch war sie nach den oben genannten Kriterien nicht die beste investigative Leistung des vergangenen Jahres.
Wenn der Henri-Nannen-Preis seinem Selbstverständnis als wichtigster deutschsprachiger Journalistenpreis in Zukunft noch gerecht werden will, muss er seine Entscheidungsfindung ändern. Er sollte sich dabei am Pulitzer-Preis der USA orientieren.
Ähnlich wie beim Nannen-Preis wählen in den USA zunächst fachlich qualifizierte Vorjurys diejenigen Artikel aus, die in die engere Wahl kommen. Die Hauptjury, die anschließend über die Vergabe entscheidet, besteht aber nicht wie in Deutschland aus 15 Chefredakteuren und Prominenten, sondern aus meist sieben Fachleuten pro Kategorie (beispielsweise erfahrene investigative Journalisten und frühere Preisträger).
Über der Fachjury sitzt beim Pulitzer-Preis zwar noch ein Board, dass sich in der Regel aber an das Votum der Fachjury hält und nur in Ausnahmefällen eine andere Entscheidung trifft. Sowohl die nominierten Beiträge als auch die Zusammensetzung der Jury sind bis zur Bekanntgabe der Gewinner geheim, um Einflussnahme und Lobbying zu verhindern.
Dieses Verfahren führt dazu, dass beim Pulitzer-Preis Fachleute entscheiden und nicht Generalisten nach Gefühlslage oder Proporzdenken wie viel zu oft beim Henri-Nannen-Preis.
(zu: Handbuch-Kapitel 17-18 „Wie Journalisten recherchieren“)
„Journalismus ist Wahrheit zum Zeitpunkt des Andrucks“
Zeitung und Kunst ist das Thema einer sehenswerten Ausstellung im Berliner Gropius-Museum nahe des Checkpoint-Charly, die bis zum 24. Juni zu besichtigen ist. Ein Bummel durch die Ausstellung soll zu einem Besuch verführen:
Das Martin-Gropius-Museum liegt mitten in Berlin, ist Nachbar des Schreckens, der sich auf einigen hundert Metern versammelt hatte: Die Nazis folterten in den Zentralen von Gestapo und SS; heute ist hier die „Topographie des Terrors“ zu finden, eine Ausstellung, die zeigt, wie man ein Volk gewaltsam unterdrücken kann. Entlang des Museums verlief die Mauer, auch ein Instrument des Schreckens, das nur noch an wenigen Stellen zu sehen ist wie am nahen Checkpoint-Charly, wo sich Touristen mit Schauspielern in US-Uniformen fotografieren lassen.
Inmitten des Schreckens steht der Renaissance-Bau, vor gut 130 Jahren gebaut, eine friedliche Insel, der Kunst gewidmet. Wer in diesen Tagen das Museum besucht und in den großen Lichthof tritt, sieht eine große Druckmaschine, auf der mit Blei-Lettern noch zu Wendezeiten die Parteizeitungen gedruckt wurden. Aus der Maschine wachsen Sonnenblumen, drumherum geht der Besucher auf Buchstaben aus Blei, die wie Samen dahingeworfen wurden, und durch Bleirollen, die an Filmrollen erinnern, mit denen vor Erfindung des Digitalen die laufenden Bilder auf die Leinwand geworfen wurden.
Wer nicht weiß, welche Schau ihn erwartet, ahnt es bei diesem Anblick: Es geht um die Medien, noch genauer: um die Zeitung, um „Art and Press“, wie die Ausstellung genannt wird, um Kunst und Presse, um „Kunst – Wahrheit – Wirklichkeit“. Die Installation mit der Druckmaschine und den Sonnenblumen hat Anselm Kiefer eigens für die Ausstellung geschaffen und „Die Buchstaben“ genannt. Der Schüler von Joseph Beuys, 1945 geboren, hat ein für ihn ungewöhnlich friedliches Werk geschaffen: Blumen blühen aus Druckmaschinen. So friedlich bleibt es nicht in der Ausstellung.
Der chinesische Künstler Ai Weiwei, in seiner Heimat kujoniert, zeigt eigenartig geformte Eisenstangen. Was haben sie mit der Zeitung zu tun?
Die Antwort ist verblüffend einfach: Über die Eisenstangen wurde nie in chinesischen Zeitungen berichtet. Sie sind Zeichen des Schweigens in einer Diktatur.
Die Eisenstäbe stammen aus einer Schule in Beichuan, in deren Trümmern bei einem Erdbeben 2008 tausend Schüler und Lehrer sterben mussten. Der Einsturz der Schule war Folge von verpfuschten Bauarbeiten, bei denen sich keiner an die Auflagen gehalten hatte.
In westlichen Zeitungen wäre darüber ausführlich geschrieben, wäre die Frage nach der Verantwortung gestellt worden, die Korruption beim Namen genannt. Was die chinesischen Zeitungen nicht schrieben und nicht schreiben durften, macht der Künstler zum Thema – und gibt den Toten, die dem Vergessen zugedacht waren, ihre Würde zurück.
Eine Diktatur erfahren und erlitten hat auch Farhard Moshiri, 1963 im persischen Shiraz geboren; heute lebt er in Teheran und Paris. Er scheint in der Ausstellung mit der Zensur zu spielen: Ein Kiosk ist zu sehen, ein „Kiosk der Kuriositäten“, in dem 500 Zeitschriften ausgestellt sind, aber nicht aus Papier, nicht gedruckt, sondern 500 mit der Hand geknüpfte Teppiche, auf denen das Titelbild von persischen Magazinen zu sehen ist, deren Buchstaben und Sinn uns rätselhaft bleiben; meist sind aber westliche Magazine zu sehen, von „Gala“ mit Cameron Diaz oder der französischen „Elle“ oder einer Zeitschrift, die festliche Haarschnitte zeigt, oder der politischen „Newsweek“ mit einem Flugzeug, das am 11. September in einen der Zwillingstürme rast.
„Sarkastischer kann man die Mechanismen der Globalisierung nicht formulieren“, schreibt Walter Smerling, der künstlerische Leiter, im Katalog. „Moshiri präsentiert uns ein Alltagsbild seiner Heimat, in der Konsum- und Wunschvorstellungen geweckt werden, deren Verwirklichung aber aufgrund der politischen, religiösen und rechtlichen Verhältnisse undenkbar, in bestimmten Fällen sogar strafbar ist.“
Was ist die Wahrheit? In einer Diktatur ist die Frage einfach zu beantworten: auf jeden Fall nicht das, was in der Zeitung steht. Aber in einer Demokratie ist, im Umkehrschluss, nicht einfach alles wahr, was in der Zeitung steht.
So wird die Wahrheit zum zentralen Thema der Ausstellung. Kai Diekmann, Chefredakteur der Bildzeitung, sagt in einem Gespräch über die Wahrheit des Journalismus:
„Wir können nur Ausschnitte der Wirklichkeit zeigen. Und wir sind auch immer nur so klug, wie der Tag es zulässt. Journalismus kommt von ,Jour‘, und auf dieses Rad ist man geflochten. Selbst die gründlichste Recherche kann nicht immer verhindern, dass später neue Informationen auftauchen, die eine Geschichte in ein völlig anderes Licht tauchen. Journalismus zeigt immer nur die Wahrheit zum Zeitpunkt des Andrucks.“
Kai Diekmann und die Bildzeitung haben „Art and Press“ gefördert und im Blatt über Wochen, meist über eine halbe Seite hinweg, die Bilder der Ausstellung nebst einem Experten-Artikel gezeigt. Denn – „Die Kernkompetenz von ,Bild‘ ist es, Geschichten in Bildern zu erzählen“, sagt Kai Diekmann, „Künstler tun das Gleiche. Sie wissen um die Kraft der Bilder.“
Ein anderer Förderer der Ausstellung ist Jürgen Großmann, der schwergewichtige Chef des Energie-Konzerns RWE. Für ihn kreist die Frage nach der Wahrheit der Presse um die Kontrolle der Medien: „Weil Künstler unabhängig sind, können sie die Medien eher kritisieren und infrage stellen. Sie sind ein intelligentes Korrektiv zur Macht der Medien. Von ihnen können wir lernen, wie man sich gegen zu große Einflussnahme der Presse zur Wehr setzt.“
Bummeln wir durch die Ausstellung, in der 56 Künstler ihre Werke zeigen, die alle in den vergangenen fünfzig Jahren entstanden sind oder eigens für „Art and Press“ erstellt wurden:
Aufregend ist eine 38-teilige Serie des vor zwei Jahren gestorbenen Sigmar Polke: „Original + Fälschung“. Nicht nur in der Kunst gibt es Fälscher, sondern auch in den Medien. Bilder werden hier wie dort manipuliert, Tatsachen verdreht oder der Blick wird in die Irre geleitet.
Zu betrachten sind nicht nur 24 Bilder von Polke, sondern auch 14 „Kommentarbilder“, auf denen er die Zeitungsausschnitte zeigt, die ihm die Anregung gegeben haben. So entsteht, wie Walter Smerling sagt, „eine Beziehung zwischen künstlerischer Produktion und der Arbeit des Künstlers. Die Lügen der Bilder werden durch die vom Künstler gewählte Kombination von Zeitungsmeldung und Kunstwerk zum eigentlichen Thema.“
In eine Art Mediengefängnis, das sie „Denkräume“ nennt, führt die Amerikanerin Barbara Kruger. Auf dem Fußboden geht der Besucher über eine Collage mit Meldungen aus Lokalzeitungen, die Immigration in Deutschland thematisieren: „Familien von Amts wegen zerrissen“ oder „Fatale Migrationspolitik“. In fetten Buchstaben, in tiefes Grün getaucht, sind einzelne Wörter herausgehoben: Rache, Willkommen oder Hass. Auf den vier Wänden stehen in schnörkelloser Schrift plakative Aussagen wie „NICHTS GLAUBEN“ und „Hütet euch, in die Pose des abgeklärten Zuschauers zu verfallen, denn das Leben ist kein Schauspiel, ein Meer von Leid ist keine Bühne, ein Mensch, der schreit, ist kein tanzender Bär.“
Im Krieg stirbt zuerst die Wahrheit. Der Künstler macht sie wieder lebendig – wie der in Düsseldorf lehrende Markus Lüpert, der das brennende „Dubrovnik“ während des Balkankriegs zeigt: Die schöne mittelalterliche Stadt am Mittelmeer, zum Weltkulturerbe erkoren, ist zu sehen und mittendrin eine gefaltete „Süddeutsche“, die wie ein Schiff in die Stadt sinkt, zu lesen die Schlagzeile „Dubrovnik in Flammen“.
Unübersehbar und unübersehbar politisch und provozierend sind die bunt flackernden LED-Schriftbänder der Amerikanerin Jenny Holzer. Zu lesen sind Protokolle von Verhören, die amerikanische Militärs mit Verdächtigen führten im sogenannten Anti-Terror-Krieg. Da wurde manipuliert und gefoltert – als wäre es das Demokratischste von der Welt. Die Laufbänder sind attraktiv – und geraten so in Widerspruch zu ihrer kritischen Botschaft, schreibt Peter Iden im Katalog. „Es ist aber auch gerade dieser Gegensatz, der die Künstlerin beschäftigt und den die Arbeiten thematisieren.“
Mit dem 1926 in Nürnberg geborenen und heute in London lebenden Gustav Metzger beenden wir den kleinen Rundgang durch eine überaus sehenswerte Ausstellung: Metzgers Installation nimmt einen großen rechteckigen Raum ein. In der Mitte ist eine Glaskabine aufgestellt, wie s im Prozess gegen Adolf Eichmann im Jerusalemer Gerichtssaal.
An einer Wand stapeln sich Zeitungsstapel bis zur Decke, an der anderen Wand steht ein Transportband, auf dem die Stapel zur Auslieferung vorbereitet werden – wie ein Gleichnis für die von Eichmann geplanten Transporte in die Gaskammern –, an der dritten Wand stehen drei Ortsnamen: Jerusalem – New York – Port Bou.
Port Bou ist ein Ort nahe der spanischen Grenze, an dem sich der jüdische Philosoph Walter Benjamin das Leben nahm auf der Flucht vor den Nazis. Benjamin hatte über den Angelus Novus, den neuen Engel, geschrieben, einer Zeichnung von Paul Klee nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs.
Der Engel starrt mit aufgerissenen Augen, sieht, wie sich Trümmer auf Trümmer häufen:
„Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“
(aus der Thüringer Allgemeine“ vom 5. Mai 2012 / Foto Raue: Besucher betrachten Fotografien von Julian Schnabel)
(zu: Handbuch-Kapitel 48 „Wie Journalisten entscheiden“)
Stadt muss Geheim-Gutachten an Journalisten geben
Die Stadt Mülheim muss der WAZ-Mediengruppe Einsicht in ein bislang geheim gehaltenes Gutachten zu Millionen-Wetten der kommunalen Stadtspitze mit der West-LB geben. Eine entsprechende Auskunftsklage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) konnte die WAZ- Mediengruppe vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf durchsetzen.
Das bislang von der Stadtspitze um Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD) geheim gehaltene Papier enthält Einschätzungen des Mülheimer Rechtsamtes zu einem Millionenverlust-Geschäft der Gemeinde. Im Kern hatte die Stadt mit der damals noch staatlichen WestLB auf steigende und fallende Zinsen gewettet. Die Stadt verlor die Wetten, die WestLB gewann. Die Kommune setzte so alleine in drei Jahren bis 2008 rund 6 Millionen Euro in den Sand.
Das besondere an den schlechten Geschäften: beraten wurde Mülheim ausgerechnet von der WestLB, die gleichzeitig als Wettgegner in den Deals antrat. Gewinnen konnte die Bank nur, wenn die Stadt verlor. Noch immer laufen entsprechende Wetten, immer noch mit Millionen Verlusten.
Die schlechten Geschäfte sind in Mülheim aufgefallen. Das Rechtsamt der Stadt hat schließlich ein Gutachten erstellt, um zu prüfen, ob die Stadt gegen die WestLB, den damals verantwortlichen Kämmerer Gerd Bultmann oder andere leitenden Beamten auf Schadensersatz klagen könnte. Auf Basis des Gutachtens verzichtete die Gemeinde auf rechtliche Schritte und zahlte lieber weiter Geld an die WestLB.
Die WAZ-Mediengruppe wollte nun auf Basis des IFG in dieses Rechtsgutachten schauen, um zu sehen, warum die klamme Stadt nicht um die Millionen kämpft. Dies wurde ihr von der Kommune verweigert.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschied nun, dass die Stadt mit ihrer Geheimhaltung das Recht gebrochen hat (AZ: 26K3489/11). Es gebe keinen zulässigen Grund, das Papier vor der Öffentlichkeit zu verstecken, entschied das Gericht. Die Grundlagen für die Weigerung Schadensersatz einzutreiben, müssen offen gelegt werden.
Geklagt hatte Mirco Stodollick, stellvertretender Redaktionsleiter der WAZ Mülheim an der Ruhr. Er wurde vom Justiziar der WAZ-Mediengruppe, dem Bochumer Rechtsanwalt Ralf Geppert vertreten.
Es ist der erste derartige Sieg für die WAZ-Mediengruppe.
(Aus Westen.de / von David Schraven)
(zu: Handbuch-Kapitel 50 „Presserecht“)
Vor 10 Jahren: Der Amoklauf in Erfurt
Am 26. April 2002 ermordet ein 19-jähriger im Erfurter Gutenberg-Gymnasium sechzehn Menschen: zwölf Lehrer, zwei Schüler, eine Schulsekretärin, einen Polizisten – und sich selbst. Der Amoklauf ist ein Schock für alle, stürzt ein Land in Trauer, bringt Menschen nahezu um den Verstand, weil keiner, bis heute, versteht, wie ein junger Mensch noch am Anfang seines Leben zu diesen Morden fähig ist, sorgfältig geplant, mit Kalkül ausgeführt.
Eigentlich sollte man schweigen, wenn solch Unbegreifliches geschieht. In welcher Sprache sollte man überhaupt sprechen? Schon die Wahl der Worte ist schwer: Darf man von einem Amoklauf sprechen? Das Wort verweist eher auf eine spontane Tat. Darf man von einem Massaker sprechen? Das Wort erinnert eher an tausendfachen Mord, gar Völkermord.
Für die Angehörigen der Opfer wäre Schweigen die beste Lösung. Ihr Schmerz verdoppelt sich durch jedes Bild, jeden Text, der in der Zeitung steht oder jeden Film, der im Fernsehen läuft. Auf der anderen Seite muss auch eine Gesellschaft eine solche Tat zu verstehen versuchen, darf sie nicht verschweigen – zum einen um Vorsorge zu treffen, zum anderen um herauszufinden, was schief läuft im Umgang miteinander, vor allem in der Bildung der jungen Generation.
Die Morde am Erfurter Gymnasium blieben ja auch kein Einzelfall in Europa: 2009 ermordete ein 17jähriger in Winnenden nahe Stuttgart 15 Menschen, zuerst in einer Realschule, dann auf der Flucht; 2011 ermordete ein 32jähriger 94, meist junge Menschen in einem Ferienlager auf der norwegischen Insel Utoya.
Im Editorial zum Buch „Der Amoklauf“, nach einer Serie in der „Thüringer Allgemeine“, ist weiter zu lesen:
Nach den Morden am Gutenberg-Gymnasium haben die Medien zu Recht harte Kritik einstecken müssen. Journalisten haben viele Fehler, zum Teil unverzeihliche Fehler gemacht, vor allem auf der Jagd nach Gesichtern, Bildern und intimen Szenen. Sie haben oft die Trauernden nicht in Ruhe trauern lassen. Dass diese Kritik auch in den Medien selber hinreichend wahrgenommen und diskutiert worden ist, zeigt, dass unsere Demokratie zumindest robust ist und lernfähig.
Das Problem der Journalisten ist, wenn sie nicht nur Sensationen suchen, die Balance zwischen Distanz und Nähe:
• Sie brauchen Distanz, gar kühlen Abstand, um sich nicht von den Emotionen übermannen zu lassen und wenigstens die Tür des Verstehens ein wenig öffnen zu können und Verantwortungen zu klären.
• Sie brauchen Nähe, um in allem Respekt mit den Menschen sprechen zu können, sie in ihrem Schmerz zu begreifen, das Unerklärliche vielleicht doch erklären zu können.
Als Journalisten, die in Erfurt leben und arbeiten, zeigen wir den Respekt, weil wir Tür an Tür mit den Menschen leben, die immer noch trauern und vielleicht ein Leben lang trauern müssen. In diesem Respekt und dem Bewusstsein, die Nähe nicht auszunutzen, denken wir zehn Jahre danach noch einmal intensiv an die Morde im Gutenberg-Gymnasium.
Wir wissen, welche Lehren wir aus der Geschichte ziehen müssen: Wer die Wiederholung des Bösen verhindern will, muss sich erinnern, so schmerzlich sie auch sein mag. Wir Erfurter Journalisten, die dieses Buch schreiben, sind uns bewusst: Wir müssen erinnern, ohne die zu verletzen, die immer noch in der Trauer gefangen sind; wir müssen fragen, welche Details nach zehn Jahren wieder erzählt und welche Fotos noch einmal gezeigt werden sollten.
Die TA-Serie und das Buch wollen erinnern und gedenken. Geschildert werden noch einmal das Geschehen am 26. April 2002 und seine Folgen. Nichts soll vergessen sein. Vor allem aber kommen Menschen zu Wort, die diesen Tag als Angehörige, Augenzeugen oder Helfer unmittelbar erleiden mussten. Es ist ihre Geschichte, ihr Schicksal. Niemand kann besser beschreiben, was damals passierte – und wie es Leben und Alltag veränderte.
Die Ereignisse des Schwarzen Freitags von Erfurt sind nahezu lückenlos ermittelt. Dennoch sind auch zehn Jahre danach die Wunden nicht verheilt, die Verletzungen an der Seele schmerzen weiter. Die größte Last tragen die Angehörigen der Opfer, die den Verlust begreifen und mit ihm leben müssen. Aber auch die, die damals Zeuge der schrecklichen Morde wurden oder jene, die den Weinenden und Trauernden beistanden, müssen mit ihren Erlebnissen und Bildern im Kopf klar kommen.
Vor allem stellen wir Fragen, die bis heute nicht erschöpfend beantwortet sind und vielleicht nie beantwortet werden können:
Wie konnte sich ein junger Mann so in Hass und Wut gegen seine Lehrer hineinsteigern?
Wieso blieb sein Plan für den mörderischen Rachefeldzug unbemerkt?
Wir Redakteure danken allen, die an der Serie und dem Buch mitgewirkt haben. Selbstverständlich akzeptierten wir, wenn viele nicht öffentlich erinnert werden wollen – weil ihre Erinnerungen ein einziger Schmerz sind. Manche haben die Kraft und den Mut gefunden, doch zu sprechen.
Wir alle dürfen nicht vergessen.
/Editorial von Paul-Josef Raue „Distanz und Nähe und der Schmerz der Erinnerung“ im Buch „Der Amoklauf. 10 Jahre danach – Erinnern und Gedenken“, erschienen im Klartext-Verlag Essen, 12.95 €; in dem Buch sind die Gespräche mit den Menschen abgedruckt, die diesen Tag als Angehörige, Augenzeugen oder Helfer unmittelbar erleiden mussten“. Die Gespräche, zehn Jahre danach, sind auch in einer Serie der „Thüringer Allgemeine“ erschienen“
(zu: Handbuch-Kapitel 48+49 „Presserecht und Ethik“)
Wie viel Breivik darf sein? Die Journalisten zweifeln
Der Bürger ist mündig, er kann und muss sich selber eine Meinung bilden – auch wenn es um so schreckliche Inszenierungen geht wie die des Massenmörders Anders Breivik im Osloer Gericht. Diese Souveränität des Bürgers gehört zum Selbstverständnis der Aufklärung, die den modernen Staat ermöglichte – mit der Pressefreiheit als stabilem Fundament.
Mit welchem Recht verschließen Journalisten ihren Lesern wichtige Informationen, die sie brauchen, um sich eine Meinung bilden und mitwirken zu können in einem Staat, der ihr Staat ist (und nicht der Staat der Journalisten)?
Auch die Aussagen von Anders Breivik klären auf. „Sie sind ein Impfstoff gegen derartige Ideen“, sagt ein norwegischer Anthropologe. Und die norwegische Boulevardzeitung Verdens Gang spricht von der „Demaskierung einer erbärmlichen Gestalt“, wenn man ihn vor Gericht sieht und hört (FAZ 19.4.2012)
Gleichwohl bleibt die Frage für Journalisten: Was ist eine wichtige Information? Wie wirken Bilder des Massenmörders mit erhobener Faust, groß auf eine Zeitungsseite gezogen?
Meike Oblau vom „Westfalenblatt“ in Bielefeld verweist auf ein Stopp-Zeichen in ihrer Zeitung:
„In eigener Sache: Anders Behring Breivik wollte den zweiten Verhandlungstag dazu nutzen, seinen Anschlag zu rechtfertigen. Aus Rücksicht auf die Gefühle der Angehörigen der Opfer und um dem Täter nicht ein Forum für die Verbreitung seiner wirren Gedanken zu bieten, bemüht sich das WESTFALEN-BLATT um eine zurückhaltende Prozessberichterstattung. Dabei war es uns wichtig, auf wörtliche Zitate des Täters weitgehend zu verzichten. Zudem wollen wir keine Fotos zeigen, auf denen provozierende Gesten Breiviks zu sehen sind. Die Redaktion“
„Dagbladet“ ist vorbildlich in der Aufklärung ihrer Leser: Die Redakteure analysieren das „Manifest“ von Breivik, entdecken fehlerhafte Zitate und entdecken sogar von Breivik angegebene Quellen, die es gar nicht gibt (SZ 19.4.2012). Ist das der ideale Weg?
BvB-Trainer Klopp im Zitat der Woche
„Es gab Zeiten, da wurde auch mal gelacht. Aber das ist mit euch (Journalisten) nicht mehr möglich. Da wird jede Kleinigkeit aufgebauscht.“
Jürgen Klopp, Trainer von Borussia Dortmund, über ein Foto, unter anderen in der Bildzeitung, auf dem Biene Emma, das BvB-Maskottchen, am Mannschaftsbus der Bayern zu sehen ist – angeblich urinierend. Quelle: sid, 13.4.2012
(zu Handbuch-Kapitel 35 „Der Boulevard-Journalismus“)
FAZ kehrt zu den „Zigeunern“ zurück
In den deutschen Zeitungen vermeiden es nahezu alle Journalisten sorgsam, „Zigeuner“ zu schreiben; der Begriff gilt als diskriminierend. Bei den meisten wird es Einsicht sein, bei den übrigen die Furcht vor einer Rüge des Presserats oder dem Zorn des Chefredakteurs.
Die FAZ nutzt mittlerweile wieder die Bezeichnung „Zigeuner“, wenn sie beispielsweise über die Unruhen in Ungarn berichtet. In einem Interview mit dem ungarischen Innenminister wechselt sie sogar die Begriffe, schreibt mal von „Roma“, mal von „Zigeunern“.
Auf der Medienseite vermeiden die FAZ-Redakteure die Bezeichnung „Zigeuner“, wenn sie über die Klagen gegen die Schweizer „Weltwoche“ berichten. Diese hatte ein Titelbild gebracht, auf dem ein Junge mit einer Pistole zu sehen ist: „Die Roma kommen: Raubzüge in der Schweiz“. Die Klagen beziehen sich auf die generalisierende Überschrift, in der alle Roma als Kriminelle dargestellt werden. Debatten löst auch das Titel-Foto aus, das nicht in der Schweiz, sondern 2008 auf einer Müllhalde im Kosovo entstanden ist.
In Deutschland hatte der „Zentralrat Deutscher Sinti und Roma“ vor zehn Jahren eine heftige Debatte ausgelöst, als er erstmals eine Sammelbeschwerde beim Presserat eingereicht hatte mit Beispielen von vermeintlich diskriminierenden Artikeln in deutschen Tageszeitungen. Der Zentralrat gibt die Sammelbeschwerde stets am 7. Dezember ab und erinnert so an den Jahrestag eines Erlasses des Nazi-Innenministers Frick: Bei Straftaten von Juden ist in der Presse die Rassenzugehörigkeit hervorzuheben.
Der Presserat hat einige Rügen ausgesprochen, wenn es keinen sachlichen Grund gab, in Polizeiberichten auf die Roma hinzuweisen. Eine der Rügen ging 2009 an die „Offenbach Post“, die in einem Bericht über Frauen „südländischen Aussehens“ geschrieben hatte, sie seien „alle einwandfrei einer Volksgruppe zuzuordnen, deren Namen eine Zeitung heute nicht mehr schreiben darf, weil sie sich damit garantiert eine Rüge vom Presserat einhandelt“.
Das ist laut Presserat eine „ironisch-herabsetzende Umschreibung“.
(zu: Handbuch-Kapitel 49 „Wie Journalisten entscheiden sollten“ und Service B. „Medien-Kodices“, hier Pressekodex Ziffer 12, Seite 368)
Amoklauf – Der Spagat zwischen Nähe und Distanz
Die Waiblinger Kreiszeitung und die Thüringer Allgemeine verbindet ein tragisches Ereignis: Beide Redaktionen mussten über einen Amoklauf berichten – der erste in Erfurt vor zehn, der zweite in Winnenden vor drei Jahren.
Beide Redaktionen haben sich intensiv damit beschäftigt, wie Journalisten über einen Amoklauf berichten sollten. Wie schon zuvor die Redakteure in Winnenden setzen sich auch die Redakteure in Erfurt heute (12. April 2012) zu einem Workshop zusammen, um sich mit dem „Dart Center for Journalism and Trauma“ auf den Zehn-Jahres-Tag des Amoklaufs vorzubereiten.
Um das journalistische Verhältnis von Nähe und Distanz geht es auch dem Kreisredakteur Peter Schwarz aus Winnenden, der das Buch ”Der Amoklauf“ in der Thüringer Allgemeine rezensierte. Das Buch schrieben Redakteure aus Erfurt; die einzelnen Teile erscheinen zuvor in der Zeitung als Serie.
„Selbstverständigung über das Unbegreifliche“ ist die Rezension von Peter Schwarz überschrieben:
Es gibt viele Bücher über Amokläufe, eindringliche und effekthascherische, wissenschaftliche und erzählerische, und so liegt eine Frage nahe: Musste dieses Buch jetzt auch noch sein? Die Antwort fällt leicht: Es ist gut, dass es dieses Buch gibt. Es dokumentiert, was geschah, spürt den Folgen nach und hilft einem Gemeinwesen bei der Selbstverständigung über ein letztlich nie völlig begreifbares Entsetzen.
Die Journalisten der ”Thüringer Allgemeine“, der in Erfurt ansässigen Zeitung, haben es geschrieben. Der Lokaljournalist ist angesichts einer solchen Aufgabe in ein Spannungsfeld hineingezwungen: Einerseits muss er Distanz wahren – sie gehört zu seinem Handwerk, sie ermöglicht es, Ambivalenzen zu erkennen, vorschnelle Urteile zu vermeiden, die Komplexität von Ereignissen auszumessen.
Andererseits muss er Nähe zulassen – er kennt die Betroffenen, ist selbst Teil dieser Stadt, reist nicht nach zwei Wochen wieder ab an den nächsten Katastrophenschauplatz.
Die Autorinnen und Autoren des Buches haben es geschafft, diese widerstreitenden Rollenanforderungen auszubalancieren: Sie sind ganz offenkundig nahe dran an den Menschen, genießen das Vertrauen derer, die da erzählen, sich erinnern, ihren Schmerz, ihren Zorn, ihre Zweifel offenbaren.
Und die Journalisten wahren Distanz, indem sie allen zuhören, alle ernst nehmen und dabei auch Widersprüche aushalten, unterschiedliche Wahrnehmungen nebeneinander stehen und gelten lassen. Zu Wort kommen: Hinterbliebene von Ermordeten; Polizisten; Rettungshelfer; Lehrer; Schüler; Seelsorger; ein Freund des Todesschützen; die Eltern von Robert Steinhäuser.
Nach dem Amoklauf von Erfurt rissen Klüfte auf – das war unausweichlich, wie überall, wo derart Unfassbares geschehen ist. Weder übertüncht das Buch diese Bruchstellen harmoniesüchtig noch ergeht es sich in skandallustiger Überbelichtung.
Zum Beispiel: die 17. Kerze. Nicht nur für die Opfer, auch für den Mörder, der sich schließlich selbst erschossen hatte, wurde bei der Trauerfeier auf den Stufen des Erfurter Doms – etwas abseits – ein Licht aufgestellt. Es nieselte und windete an jenem Tag, immer wieder erlosch die 17. Kerze, immer wieder aufs Neue wurde sie entzündet. Er habe sehr damit gerungen, erinnert sich ein katholischer Theologe; letztlich sei es die richtige Entscheidung gewesen. Die Frau eines ermordeten Polizisten sagt: ”Ich kann das nicht verstehen.“
Der Polizeieinsatz am 26. April 2002: Zu vorsichtig, zu zögerlich sei er verlaufen – die Kritiker kommen zu Wort in diesem Buch; genau wie der Einsatzleiter, der sich seinerzeit zwischen Töpfermarkt und ”Autofrühling“ mit einer Herausforderung konfrontiert sah, für die es keinen Erfahrungswert gab: ”Aus heutiger Sicht haben wir natürlich Fehler gemacht.“ Aber ”aus unserem Einsatz hat man vieles gelernt, was man zuvor nicht wissen konnte. Wir waren die Null-Serie.“
Dieses Buch liefert nicht den einen, großen Gesamtdeutungswurf, verordnet nicht die eine, letztgültige Lesart. Und hilft gerade dadurch, den 26. April 2002, seine Folgen und die verschiedenen Gefühlslagen so vieler auf so unterschiedliche Weise Betroffener zu verstehen.
Zu den beeindruckendsten Passagen gehört ein Interview mit einem Fotografen. Behutsam und gelassen verteidigt er seinen nach Erfurt – und auch wieder nach Winnenden – heftig in Verruf geratenen Berufsstand. Er erinnert daran, dass er bei solch einem Geschehen eine wichtige Aufgabe zu erfüllen habe: als Chronist.
Zugleich offenbaren seine Bilder und die seiner Kollegen in diesem Buch, dass es möglich ist, zu dokumentieren, ohne zu entblößen. Trauernde sind zu sehen, aber nicht im Moment der Übermannung, des Außer-sich-Seins. Auf Fotos von Erschossenen wurde ganz verzichtet. Es gab, begründet der Fotograf, ”ausreichend andere starke Bilder, um das Ausmaß des Geschehens zu zeigen“. Viele von ihnen sind hier vereint: von Kugeln durchschlagene Scheiben und Türen; ein leeres Klassenzimmer, an der Tafel sind noch die chemischen Formeln lesbar, die eine Lehrerin anschrieb, bevor sie starb. Auch Bilder, die während des Amoklaufs entstanden: ein Schild in einem Fenster, handgeschrieben in Großbuchstaben steht darauf ein Wort: ”HILFE“.
Anhand solcher Bilder offenbart sich, wie gut im Buch der Spagat gelungen ist zwischen Nähe und Distanz: Sie zeugen von einer entschlossenen Chronistenbereitschaft, die sich doch nie in respektloser Grenzüberschreitung ergeht. Es sind erschütternde Aufnahmen, aber sie zielen nie auf reinen Schauwert. Sie malen nicht grell aus. Sie zeigen, was geschah.
Ein Mann, der seine Frau verlor, sagt: ”Die Zeit, so heißt es, würde alle Wunden heilen. Was für ein Unsinn. Man lernt nur, mit ihnen zu leben.“ Dieses Buch kann dabei helfen.
THÜRINGER ALLGEMEINE vom 11.04.2012, S. 3
Das Buch: Hanno Müller / Paul-Josef Raue (Hg): Der Amoklauf. Klartext-Verlag, Essen, 203 Seiten, 12,95 Euro
(zu: Handbuch-Kapitel 49 „Wie Journalisten entscheiden sollten“)
Zehn Jahre nach dem Amoklauf von Erfurt
Der Amoklauf von Erfurt am 26. April 2002, ein Neunzehnjähriger erschießt zwölf Lehrer, zwei Schüler, eine Schulsekretärin, einen Polizisten und sich selbst. Wieder ein Jahrestag – zudem ein Jahrestag, der an einen Tiefpunkt des deutschen Journalismus mahnt. Auf der Jagd nach Gesichtern, Exklusiv-Geschichten und intimen Szenen haben Journalisten schwere Fehler gemacht, viele haben weder die unbeschreibliche Trauer der Opfer geachtet noch die Verwirrung der Kinder berücksichtigt, die beim Verlassen der Schule über ihre toten Lehrer steigen mussten.
Wie gehen Journalisten zehn Jahre danach mit dem Amoklauf, vor allem mit den Opfern um? Die Redakteure der „Thüringer Allgemeinen“ schreiben in einer großen Serie über die Interviews mit den Menschen, die den Amoklauf erleiden mussten – als Angehörige, Freunde der Opfer, Augenzeugen oder Helfer. In teilweise bewegenden Gesprächen spürten die Journalisten, dass zehn Jahre danach die Wunden noch nicht verheilt sind, die Verletzungen an der Seele weiter schmerzen.
Die Serie, die zur Zeit in der TA läuft, ist auch gebündelt als Buch erschienen, das am Dienstag nach Ostern in Erfurt vorgestellt wurde:
Hanno Müller und Paul-Josef Raue (Herausgeber): Der Amoklauf. 10 Jahre danach – Erinnern und Gedenken. Klartext-Verlag, Essen, 203 Seiten, 12,95 Euro
Lynchjustiz in Emden und die journalistische Ethik
Die regelrecht von der Polizei inszenierte Verhaftung eines 17-jährigen, der die 11-jährige Lena in Emden mißhandelt und ermordet haben soll, wirft reichlich Fragen zur journalistischen Ethik auf:
1. Wie gehen Zeitungen mit Facebook um, wenn dort zu Lynchjustiz aufgefordert und zu einem Aufruhr vor der Polizeistation aufgerufen wird (dem 50 blutrünstige junge Leute folgen)?
2. Wie ernst nehmen wir es mit der Unschuldsvermutung?
3. Wie halten wir es mit der Namensnennung, so dass ein Verdächtigter leicht zu identifizieren ist und seine Wohnung zum Pilgerort für Menschen wird, die Folter und Todesstrafe fordern?
4. Ist das Internet auch eine große Verführung für uns, zwar schnell zu reagieren, aber auch unüberlegt und vorschnell (mit schlimmen Folgen)?
5. Wie vertrauenswürdig ist die Polizei? Dürfen wir in einem solch spektakulären Mordfall ungeprüft alles übernehmen und jede kritische Distanz fahren lassen?
(zu: Handbuch-Kapitel 49 „Wie Journalisten entscheiden sollten“)
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